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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und weitere deutsche Politiker haben nach dem Machtwechsel in Syrien zu Stabilität und einem friedlichen Zusammenleben aufgerufen und dazu auch deutsche Beiträge angeboten. "Jetzt ist unsere Aufgabe zu gucken, dass dort ein Leben möglich wird, sicher, wo man ohne Angst sich bewegen kann" und wo "die ganz unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen zusammenleben", sagte Scholz am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur.
Der Kanzler räumte ein, es lasse sich derzeit noch nicht sagen, "ob die verschiedenen Beteiligten jetzt dieses Ziel haben oder nicht". Die Bundesregierung sei aber dabei, "zu allen Kontakte aufzubauen und Gespräche zu führen". Mit Blick auf Zusicherungen der aktuell dominierenden islamistischen HTS-Miliz fügte der Kanzler hinzu: "Wenn man das nimmt, was öffentlich gesagt wird von einigen der Hauptverantwortlichen, ist die Chance da."
Dann könne die ethnische und religiöse Vielfalt des Landes gesichert werden, sagte Scholz. Ausdrücklich nannte er dabei auch die kurdische Bevölkerung Syriens, die derzeit Angriffen protürkischer Milizen sowie offenbar auch der Türkei ausgesetzt ist. In jedem Fall sei es gut, dass der syrische Diktator Baschar al-Assad nun weg sei, dieser sei "ein wirklicher Menschenschlächter" gewesen, befand der Kanzler.
Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rief am Rande eines Besuchs in der nordirakischen Kurdenmetropole Erbil auf, dazu beizutragen, dass die Region "zu mehr Stabilität kommt". Deutschland dürfe hier gerade mit Blick auf Syrien "nicht nur Zuschauer sein". Pistorius kündigte dazu Gespräche mit Partnerländern an, auch mit seinem türkischen Amtskollegen.
In Syrien wolle die Bundesregierung "so schnell wie möglich" mit dem politischen Arm der HTS-Miliz ins Gespräch kommen, sagte Pistorius weiter. Ziel sei, "deutlich zu machen, dass wir bereit sind, mit beizutragen zur Stabilisierung der Region, des Landes Syrien und damit auch des kurdischen Teils".
Zur Vorsicht mit Blick auf die HTS-Miliz mahnte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth. Eine von Islamisten dominierte Herrschaft in Syrien "wäre eine existenzielle Gefahr für Israel, aber auch eine existenzielle Gefahr für uns in Deutschland und Europa", sagte er im Deutschlandfunk. Für Islamisten seien der Westen, "unser Weg zu leben, unsere Art zu leben, der größte Feind", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.
Insofern sei die HTS aus deutscher Sicht "der schwierigste Akteur" in Syrien. Gleichwohl sprach sich Roth dafür aus, Kontakte zu den neue Machthabern aufzubauen. "Es bleibt uns ja nichts anderes übrig", sagte er in dem Interview. Auch klinge "erst einmal vielversprechend", was aktuell von der HTS verlaute. Am Ende müsse die Miliz aber an ihren Taten gemessen werden. Aktuell sei Syrien von Stabilität und Frieden "noch weit entfernt".
Auch Roth verwies dabei auch auf türkische Bestrebungen, gegen die in Syrien lebenden Kurdinnen und Kurden vorzugehen. "Man darf jetzt nicht weiter versuchen, Probleme zu lösen aus nationaler Sicht", mahnte er die Regierung in Ankara.
Verständnis äußerte der SPD-Politiker für das militärische Vorgehen Israels in Syrien. Von dort lagernden Massenvernichtungswaffen, insbesondere von Chemiewaffen, gehe "eine immense Gefahr aus". Kritischer äußerte sich Roth allerdings zum Vorrücken israelischer Truppen in die entmilitarisierte Pufferzone auf den Golanhöhen.
Skeptisch mit Blick auf die HTS äußerte sich die BSW-Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali. Es sei zu befürchten, dass die neuen Machthaber "Oppositionelle, Frauen, religiöse und ethnische Minderheiten brutal unterdrücken werden", erklärte sie in Berlin. Zudem forderte sie ein Ende deutscher Waffenlieferungen an die Türkei und Israel.
(Y.Berger--BBZ)