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Im aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess von Avignon ist der Hauptangeklagte Dominique Pelicot zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter sprachen den 72-Jährigen am Donnerstag der schweren Vergewaltigung seiner früheren Frau schuldig. Pelicot hatte seine mittlerweile geschiedene Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt und im Internet zur Vergewaltigung angeboten.
Alle 50 Mitangeklagten wurden ebenfalls schuldig gesprochen und zu Gefängnisstrafen zwischen drei und 15 Jahren verurteilt. Dabei blieben die Richter teilweise hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Bei zwei der Mitangeklagten wurde die Haft zur Bewährung ausgesetzt.
Am Ende von Pelicots Haftzeit soll über eine mögliche Sicherungsverwahrung entschieden werden. Die Anwältin des 72-Jährigen erklärte, ihr Mandant wolle in den kommenden Tagen entscheiden, ob er in Berufung gehe. Pelicot wurde zudem schuldig gesprochen, heimlich Fotos und Videos seiner Frau, seiner Tochter und Schwiegertöchter aufgenommen zu haben.
Insgesamt konnten die Ermittler etwa 200 Vergewaltigungen der bewusstlosen Gisèle Pelicot nachweisen. Der Prozess gilt wegen der Zahl der Angeklagten, der Brutalität der Taten und vor allem wegen des Muts von Gisèle Pelicot als historisch. Die 72-Jährige hatte sich für ein öffentliches Verfahren eingesetzt, "damit die Scham die Seite wechselt".
Während Dominique Pelicot seine Taten von Beginn an gestanden hatte, hatten die Anwälte der Mitangeklagten ihre Mandanten mit teils haarsträubenden Argumenten verteidigt. Viele der Männer erklärten, sie seien überzeugt gewesen, sich an einem Sexspiel eines freizügigen Paares beteiligt zu haben.
Keiner der Mitangeklagten hatte ein Problem damit gehabt, dass die während der Taten mitunter sogar schnarchende Gisèle Pelicot offensichtlich nicht in der Lage war, ihre Zustimmung zum Geschlechtsverkehr zu geben. Es gab sogar den Erklärungsversuch, dass die Anwesenheit ihres Ehemannes ausreichend gewesen sei, um ihre Zustimmung vorauszusetzen.
Die 72 Jahre alte Gisèle Pelicot ist durch den Prozess zu einer Heldin der Frauenbewegung in Frankreich geworden. Sie wurde bei Betreten und Verlassen des Gerichtsgebäudes regelmäßig mit Beifall bedacht.
Der Prozess von Avignon dürfte in Frankreichs Justizgeschichte eingehen. "Im Jahr 2024 kann niemand mehr sagen: 'Sie hat nichts gesagt, also war sie einverstanden'", hatte die Staatsanwältin Laure Chabaud in ihrem Plädoyer erklärt. Seit Beginn des Prozesses fordern immer mehr Menschen, den Grundsatz "Nur Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht, der bereits in Spanien und Schweden gilt, auch in Frankreich gesetzlich festzuschreiben.
Auch weltweit erregte das Verfahren Aufsehen. "Vergewaltigungen betreffen Frauen in der ganzen Welt, deshalb schaut auch die ganze Welt auf das, was hier passiert", sagte Ghislaine Sainte Catherine von der feministischen Vereinigung Les Amazones d'Avignon. Etwa 180 Medien aus Frankreich und aller Welt waren bei dem Prozess akkreditiert.
"Gisèle Pelicot hat gezeigt, dass es sich lohnt, Täter vor Gericht zu bringen. Jeder Gerichtsprozess hilft unzähligen anderen Betroffenen", betonte die deutsche Anti-Diskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman in einer ersten Reaktion auf das Urteil.
(A.Berg--BBZ)