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Nach vorsichtiger Hoffnung auf eine friedliche Beilegung der Ukraine-Krise zur Wochenmitte droht die Lage nun wieder zu eskalieren: Russland kündigte für Samstag ein Großmanöver unter Aufsicht von Präsident Wladimir Putin an und stockte seine Truppen an der Grenze zur Ukraine nach US-Angaben weiter auf. Washington warnte, dass Moskau die anhaltenden Kämpfe in der Ostukraine als Vorwand für "weitere Aggressionen" nutzen könnte. US-Präsident Joe Biden berief einen Krisengipfel mit den westlichen Verbündeten ein.
Bei der Militärübung am Samstag würden strategische Truppen sowie ballistische Raketen einbezogen, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Beteiligt sein sollen die Luftwaffe, Armeeeinheiten aus dem südlichen Militärbezirk sowie die Schwarzmeer- und die Nordmeer-Flotte.
Russland hatte in den vergangenen Tagen mehrere Teil-Abzüge von nahe der ukrainischen Grenze zusammengezogenen Truppen verkündet. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin warf Moskau am Freitag aber vor, seine Truppen an der ukrainischen Grenze vielmehr weiter aufzustocken: "Tatsächlich sehen wir, dass weitere Soldaten in die Region, in diese Grenzregion, verlegt werden." Ein US-Verantwortlicher schätzte, dass Russland inzwischen 190.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine und auf der Krim stationiert hat.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze als "absolut inakzeptable" Drohung. "Heute, das müssen wir so deutlich sagen, droht neuer Krieg - mitten in unserem Europa", warnte sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Washington befürchtet einen sogenannten Angriff unter falscher Flagge in der Ukraine. Bevor Moskau die Ukraine angreifen würde, würde es demnach einen Vorwand dafür schaffen - etwa eine Gewalttat, für welche die Ukraine verantwortlich gemacht werde. Russland heize unter anderem die Lage in der Ostukraine bewusst an, um einen Vorwand für "weitere Aggressionen" zu haben, sagte US-Außenminister Antony Blinken auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Zuvor hatte Blinken in einer kurzfristig anberaumten Rede vor dem UN-Sicherheitsrat gesagt, Russland könnte nach Einschätzung der US-Geheimdienste einen Angriff auf das Nachbarland "in den kommenden Tagen" anordnen. Der Außenminister verwies auf von russischen Medien verbreitete Falschnachrichten, in denen von angeblicher ethnischer Säuberung oder "Völkermord" an russischsprachigen Menschen in der Ukraine die Rede sei.
Putin seinerseits warnte vor einer Zuspitzung der Lage in der Ostukraine: "Im Moment sehen wir eine Verschlechterung der Lage", sagte er in Moskau und gab der Regierung in Kiew die Schuld.
In der Ostukraine nimmt die Gewalt seit Tagen zu. Wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dauerten Bombardements in der Nähe des Dorfes Stanyzia-Luhanska auch am Freitag an. Am Donnerstag war ein Kindergarten in dem von der ukrainischen Armee kontrollierten Ort getroffen worden. Die ukrainische Armee und die pro-russischen Separatisten machten sich für den Vorfall gegenseitig verantwortlich.
Die Rebellen erklärten am Freitag, vor dem Sitz der "Regierung" der selbsternannten "Volksrepublik" Donezk sei ein Sprengsatz explodiert. Sie warfen wie zuvor schon Russland der ukrainischen Armee vor, eine Offensive starten zu wollen. Dies wurde von Kiew zurückgewiesen.
Die pro-russischen Separatisten riefen die Zivilisten in den von ihnen kontrollierten Gebiete auf, sich nach Russland "in Sicherheit" zu bringen. Der Donezker Rebellenchef Denis Puschilin sprach von einer "Massenausreise" der Zivilbevölkerung in die Russische Föderation. "Frauen, Kinder und Senioren werden als erste in Sicherheit gebracht." Russlands Präsident Wladimir Putin ordnete nach Angaben seines Sprechers an, dass die Ankommenden jeweils 10.000 Rubel (rund 100 Euro) und Lebensmittel sowie Unterkünfte bekommen sollen.
Die USA reagierten empört: "Es ist zynisch und grausam, Menschen als Unterpfand zu benutzen, um die Welt von der Tatsache abzulenken, dass Russland seine Truppen in Vorbereitung eines Angriffs verstärkt", sagte ein Sprecher des Außenministeriums bei der Sicherheitskonferenz in München.
Angesichts der sich zuspitzenden Lage beriefen die USA noch für Freitag (20.30 Uhr MEZ) einen virtuellen Krisengipfel mit EU, Nato und mehreren europäischen Staaten ein, an dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilnehmen wollte. Dieser lehnte im Vorfeld Waffenlieferungen an die Ukraine erneut ab. Dagegen kündigten die Niederlande die Lieferung von 100 Scharfschützengewehren, 30.000 Schuss Munition und 3000 Helmen an.
(L.Kaufmann--BBZ)