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Die Furcht vor einem kurz bevorstehenden Großangriff Russlands auf die Ukraine wächst: Allen Anzeichen nach plane Russland "einen vollständigen Angriff auf die Ukraine", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Samstagabend mit Blick auf ein neues Großmanöver Russlands und eine deutliche Zunahme der Gefechte in der Ostukraine. Am Sonntag wurde zudem Russlands heftig kritisiertes Militärmanöver mit Belarus in dem nördlich an die Ukraine grenzenden Nachbarland verlängert.
"Das Risiko eines Angriffs ist sehr hoch", sagte Stoltenberg in der ARD. Sicherheitshalber zog die Nato ihr Personal aus Kiew ab. Das Auswärtige Amt hatte alle Deutschen am Samstag zum sofortigen Verlassen der Ukraine aufgerufen. Die Lufthansa und Austrian Airlines kündigten an, ihre Flüge nach Kiew und Odessa ab Montag auszusetzen.
Der Furcht vor einem russischen Angriff auf die Ukraine gab am Sonntag eine Mitteilung des belarussischen Verteidigungsministeriums neue Nahrung: Präsident Alexander Lukaschenko und sein russischer Kollege Wladimir Putin hätten angesichts der "Eskalation" des Ostukraine-Konflikts entschieden, ihr gemeinsames Militärmanöver in Belarus und damit die "Überprüfung der Kampfbereitschaft" ihrer Streitkräfte fortzusetzen.
Russische Truppen könnten so die Ukraine vom Osten und Norden umzingeln. Moskau hatte ursprünglich zugesichert, die schätzungsweise 30.000 Soldaten an diesem Sonntag aus Belarus abzuziehen. Nach westlichen Angaben hat Russland insgesamt rund 150.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Moskau bestreitet jedoch jegliche Angriffspläne.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Samstag in einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die Gefahr eines Krieges in Europa sei "alles andere als gebannt". Drastischer äußerte sich der britische Premierminister Boris Johnson in einem BBC-Interview: Russland bereite "den vielleicht größten Krieg in Europa seit 1945" vor.
Als Hinweise auf einen bevorstehenden Angriff werden massiv zunehmende Verstöße gegen den Waffenstillstand in der Ostukraine gewertet, bei denen nach ukrainischen Angaben am Samstag zwei ukrainische Soldaten getötet wurden. Als Indiz für die Angriffspläne gilt auch ein russisches Großmanöver, bei dem am Wochenende unter anderem Hyperschall-Marschflugkörper und atomwaffenfähige ballistische Raketen abgefeuert wurden.
Die pro-russischen Separatisten in den selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk in der Ostukraine riefen zudem am Wochenende zur "Generalmobilmachung" auf, nachdem sie zuvor Zivilisten zum Verlassen der Gebiete aufgerufen hatten. Die Separatisten und russische Medien werfen Kiew vor, einen Großangriff auf Donezk und Luhansk zu planen.
Stoltenberg warnte, Russland arbeite an einem "Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine". Die zunehmenden Waffenstillstandsverstöße in der Ostukraine, die "falschen Anschuldigungen" eines "Genozids" im Donbass und die Evakuierung der von den pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiete seien "beunruhigende Zeichen".
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte vor russischer "Manipulation", die einen "Vorwand" für eine militärische Eskalation liefere. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, der Westen könne "nicht ewig einen Olivenzweig anbieten, während Russland Raketentests vornimmt und weiterhin Truppen aufstellt".
US-Präsident Joe Biden hatte sich bereits am Freitag "überzeugt" gezeigt, dass Putin die Entscheidung für einen Angriff auf die schon Ukraine getroffen habe. Er ging von einem russischen Angriff "in den kommenden Tagen" aus. Für Sonntag setzte er eine Sondersitzung seines Nationalen Sicherheitsrats an.
Parallel zu den Warnungen vor einem russischen Großangriff gibt es weiterhin Versuche, die Krise auf diplomatischem Wege beizulegen. "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein - das ist der Anspruch", sagte Scholz.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron telefonierte am Sonntag mit Putin. Der Elysée-Palast bezeichnete das Telefonat vorab als die "letzten möglichen und notwendigen Anstrengungen", um eine militärische Eskalation zu verhindern. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte laut Elysée-Palast am Samstag in einem Telefonat mit Macron, er wolle auf die russischen "Provokationen" nicht mit Gegenmaßnahmen antworten.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz bot Selenskyj Putin ein Treffen an. Er wandte sich jedoch auch gegen eine "Appeasement-Politik" und forderte erneut eine klare Perspektive für einen Nato-Beitritt der Ukraine.
(O.Joost--BBZ)