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Im Norden Syriens hat es den dritten Tag in Folge heftige Kämpfe zwischen Mitgliedern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und kurdischen Sicherheitskräften gegeben. Seit einem IS-Angriff auf das Gefängnis Ghwajran in der nordostsyrischen Stadt Hassakeh am Donnerstag seien fünf Zivilisten, 28 kurdische Sicherheitskräfte und 56 IS-Kämpfer getötet worden, teilte der Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Samstag mit.
Der IS hatte den Angriff auf das Gefängnis Ghwajran am Donnerstagabend gestartet um Häftlinge zu befreien. In der Haftanstalt sitzen nach Angaben der Beobachtungsstelle rund 3500 mutmaßliche IS-Kämpfer, darunter auch führende Köpfe der Miliz. Rund einem dutzend Gefängnisinsassen gelang demnach die Flucht, hunderte weitere wurden nach ihrem Ausbruch gefasst. Die Dschihadisten erbeuteten zudem Waffen aus dem Gefängnis.
Kurdische Sicherheitskräfte umstellten das Gefängnis mit Unterstützung aus der Luft durch die US-geführte Anti-IS-Koalition. In Stadtvierteln nördlich der Haftanstalt seien bei "heftigen Gefechten" mehr als 20 IS-Kämpfer getötet worden, teilte das kurdisch dominierte Militärbündnis Demokratische Kräfte Syriens (SDF) am Samstag mit.
Die Kämpfe rund um die Haftanstalt trieben zahlreiche Zivilisten in die Flucht. "Tausende haben ihre Häuser nahe dem Gefängnis verlassen und sind in nahe gelegene Gebiete zu ihren Verwandten geflüchtet", berichtete ein Vertreter der Verwaltung der halbautonomen Kurdenregion.
Laut der Beobachtungsstelle war es der größte Angriff dieser Art seit der Zerschlagung des "Kalifats" des IS 2019. Damals war der IS in Syrien und im Irak militärisch weitgehend besiegt worden. Seitdem tauchten die verbliebenen Kämpfer ab oder zogen sich an entlegenere Orte zurück.
Sie verübten jedoch regelmäßig Angriffe auf kurdische und staatliche Ziele in Syrien. Meist richteten sich die Attacken gegen militärische Einrichtungen oder die Ölindustrie. Der Angriff auf das Gefängnis von Hassakeh könnte für eine neue Etappe im Wiedererstarken der Miliz stehen.
Ziel des Angriffs sei es gewesen, die eigenen Reihen zu verstärken, sagte der Experte Nicholas Heras vom Newlines Institute in Washington. Der IS wolle mehr sein als "das terroristische und kriminelle Netzwerk, zu dem er sich entwickelt hat". Dazu benötige er mehr Kämpfer.
In von den kurdischen Sicherheitskräften kontrollierten Gefängnissen im Norden Syriens werden rund 12.000 IS-Anhänger festgehalten. Sie stammen nach kurdischen Angaben aus mehr als 50 Ländern.
Die kurdischen Behörden warnen bereits seit langem, dass sie nicht über die nötigen Kapazitäten verfügen um die tausenden IS-Kämpfer langfristig festzuhalten, geschweige denn vor Gericht zu stellen. Sie verlangen von den Heimatländern die Rücknahme ihrer jeweiligen Staatsbürger.
Viele Länder haben sich dieser Forderung aus Angst vor islamistischen Anschlägen im eigenen Land in den vergangenen Jahren widersetzt. Abdulkarim Omar, außenpolitischer Sprecher der kurdischen Verwaltung, gab der internationalen Gemeinschaft eine Mitschuld an dem Angriff auf das Gefängnis. Sie sei ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
(T.Renner--BBZ)