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Beim Prozess gegen Evan Gershkovich wurden nach Angaben des russischen Richters, der den US-Journalisten wegen "Spionage" zu 16 Jahren Haft verurteilt hat, keine "materiellen Beweise" geprüft. "Warum ging es so schnell? Der Punkt ist, dass das Gericht keine materiellen Beweise geprüft hat", zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti Richter Andrej Minejew am Freitag. Weder die Staatsanwaltschaft noch die Verteidigung hätten dies beantragt.
Der Richter äußerte sich russischen Medien zufolge auf einer Konferenz in Jekaterinburg. Dort sprach er demnach über mehrere seiner Fälle. In Jekaterinburg war Gershkovich festgenommen und später verurteilt worden.
Mit Blick auf den Gershkovich-Prozess sagte Minejew, der Fall selbst sei nicht sehr umfangreich gewesen. "Ich weiß nicht mehr, wie viele Aktenordner es waren - drei oder fünf", zitierte ihn RIA Nowosti. Es habe lediglich zwei Zeugen gegeben.
Der Richter, der die Verurteilung bereits nach wenigen Stunden Beratung verkündet hatte, sprach von einem seiner schnellsten Urteile. Er erklärte die Geschwindigkeit auch damit, dass er "schnell tippen" könne auf einer Computertastatur.
Gershkovich war am 1. August im Rahmen des größten Gefangenenaustauschs zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg freigelassen worden. Minejew sagte, er habe keine Informationen vorab über den Austausch gehabt, wie die Zeitung "Kommersant" berichtete, die bei der Konferenz anwesend war. Die Initiative, den Fall schneller zu prüfen, sei von der Verteidigung gekommen. Diese müsse "etwas gewusst" haben, sagte er.
Gershkovich habe während des Prozesses kein Schuldeingeständnis abgegeben, sagte Minejew weiter. Er selbst sei jedoch überzeugt, dass Gershkovich gleichzeitig Journalist, Spion und CIA-Agent gewesen sei, sagte der Richter laut "Kommersant".
Gershkovich war im März 2023 während einer Recherchereise in Jekaterinburg festgenommen worden. Er ist der erste westliche Journalist, der seit Ende des Kalten Krieges in Russland wegen Spionagevorwürfen festgenommen wurde.
Die russischen Staatsanwälte warfen Gershkovich vor, für den US-Geheimdienst CIA zu arbeiten und geheime Informationen über einen Panzerhersteller im Ural gesammelt zu haben. Gershkovich, sein Arbeitgeber - das "Wall Street Journal" - und die USA haben die gegen den Reporter erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Der Prozess hinter verschlossenen Türen begann im Juni, am 19. Juli wurde Gershkovich zu 16 Jahren Haft verurteilt. Zwei Wochen später wurde er im Rahmen des Gefangenenaustauschs freigelassen.
Die US-Regierung beschuldigt Russland, westliche Staatsbürger zu inhaftieren, um sie als Faustpfand zum Freipressen russischer Häftlinge aus westlichen Ländern verwenden.
(T.Renner--BBZ)