Euro STOXX 50
-16.7200
Die UN-Friedenstruppe im Libanon (Unifil) hat angesichts der andauernden Kämpfe in Nahost vor einem "katastrophalen" regionalen Konflikt gewarnt. Er befürchte einen "regionalen Konflikt mit katastrophalen Auswirkungen für alle", sagte Unifil-Sprecher Andrea Tenenti am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Derweil kam die Region auch am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur nicht zur Ruhe - sowohl im Libanon als auch im Gazastreifen dauerten die Kampfhandlungen an.
Die israelische Armee kämpfte auch an Jom Kippur weiter an zwei Fronten gegen Angriffe auf das israelische Staatsgebiet. Im Gazastreifen griff die Armee weiter Ziele der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas an. Im Libanon nahm sie erneut Ziele der pro-iranischen Hisbollah ins Visier.
Diese hatte im Verlauf von Jom Kippur nach israelischen Angaben mehr als 300 Geschosse auf israelisches Staatsgebiet abgefeuert. "Während des Jom-Kippur-Wochenendes sind etwa 320 von der Terrororganisation Hisbollah abgefeuerte Geschosse vom Libanon nach Israel gelangt", erklärte die israelische Armee am Samstag. Aus dem Gazastreifen seien zwei Geschosse auf die Stadt Aschkelon abgefeuert worden, die aber nur unbewohntes Gebiet getroffen hätten.
Der Versöhnungstag, der traditionell mit Beten und Fasten begangen wird, und an dem überall in Israel das öffentliche Leben ruht, hatte am Freitagabend begonnen und endete am Samstag mit Einbruch der Dunkelheit.
Die Hisbollah griff nach eigenen Angaben am Samstag mit Raketen und Drohnen israelische Stützpunkte nahe der Küstenstadt Haifa an. In einer späteren Erklärung der Miliz hieß es, ihre Kämpfer hätten am Freitagabend "eine Staffel von Angriffsdrohnen auf den Luftwaffenstützpunkt Kirjat Eliezer im Westen Haifas" gestartet.
Das libanesische Gesundheitsministerium erklärte am Samstag, bei israelischen Luftangriffen auf zwei Dörfer in der Nähe der Hauptstadt Beirut seien neun Menschen getötet worden.
Zuvor hatte die israelische Armee die Bewohner des Südlibanons davor gewarnt, in ihre Häuser zurückzukehren. Israelische Truppen zielten weiterhin auf "Hisbollah-Stellungen in oder in der Nähe" ihrer Dörfer, erklärte Armeesprecher Avichay Adraee im Onlinedienst X. "Kehren Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit nicht in Ihre Häuser zurück, bis es neue Anweisungen gibt", hieß es weiter. Wer in den Süden gehe, riskiere sein Leben.
Israel hat seine Angriffe auf die Hisbollah-Miliz im Libanon in den vergangenen Wochen massiv ausgeweitet und nimmt bisher vor allem Ziele in deren Hochburgen im Südlibanon sowie in südlichen Vororten von Beirut ins Visier. Dabei wurden Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und andere hochrangige Kommandeure der Schiitenmiliz getötet.
Die mit der islamistischen Hamas verbündete Hisbollah hatte direkt nach dem Hamas-Großangriff auf Israel und dem Beginn des Kriegs im Gazastreifen eine zweite Front an der israelisch-libanesischen Grenze eröffnet. Ende September startete Israel auch eine Bodenoffensive gegen die vom Iran unterstützte Miliz im Südlibanon.
Ziel ist es, die Hisbollah hinter den rund 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss gemäß der UN-Resolution 1701 zurückzudrängen. Die Hisbollah verblieb nach dem letzten Kriegsende 2006 weiter an der Grenze - ungeachtet der Resolution, die weder die UN-Mission Unifil noch noch die libanesische Armee bislang durchgesetzt haben.
Am Samstag meldete die Unifil die Verletzung eines fünften UN-Soldaten durch Beschuss "unbekannter Herkunft". Der Blauhelmsoldat sei am Freitagabend am Unifil-Hauptquartier in Nakura "von Schüssen getroffen" worden, "weil in der Nähe militärische Aktivitäten stattfanden", erklärte die Unifil am Samstag. Die Herkunft des Beschusses sei "noch nicht bekannt". Der Zustand des fünften verletzten Blauhelmsoldaten binnen zwei Tagen sei aber "stabil".
Es war das dritte Mal in zwei Tagen, dass ein Unifil-Soldat infolge der Kampfhandlungen verletzt wurde. Erst am Freitag hatte ein ähnlicher Zwischenfall scharfe internationale Kritik am israelischen Vorgehen im Kampf gegen die Hisbollah ausgelöst. Die israelische Armee kündigte "eine gründliche Untersuchung auf höchster Kommandoebene" an.
Unifil-Sprecher Andrea Tenenti sagte am Samstag in einem AFP-Interview, die Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hisbollah hätten "erheblichen Schaden" an den Unifil-Stellungen im Süden des Landes angerichten. Die Arbeit der internationalen Truppe sei wegen der Schäden "sehr schwierig".
Zudem betonte Tenenti, dass die UN-Truppen im Südlibanon das Grenzgebiet nicht verlassen würden. Israel habe die Unifil gebeten, sich von Stellungen "bis zu fünf Kilometern von der Blauen Linie", die beide Länder trennt, zurückzuziehen. Dies habe die Friedenstruppe jedoch abgelehnt, um dem UN-Sicherheitsrat weiter Bericht erstatten zu können.
Er kritisierte, das ausgeweitete israelische Vorgehen gegen die Hisbollah könne zu einem "regionalen Konflikt mit katastrophalen Auswirkungen für alle" zu werden drohe. Die einzige Lösung sei "diplomatisch".
Auch im Gazastreifen ging die israelische Armee indes weiter gegen die Hamas vor. In den vergangenen Tagen startete sie einen erneuten umfassenden Boden- und Lufteinsatz im Norden des Palästinensergebiets - insbesondere rund um die Stadt Dschabalija. Zuvor hatte Armeesprecher Adraee die Einwohner des Gebiets Scheich Radwan zur Evakuierung aufgerufen. Das Gebiet, einschließlich der Schutzräume darin, gelte als "gefährliche Kampfzone".
Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes wurden am Freitag im Norden des Gazastreifens insgesamt mindestens 30 Menschen getötet. Überdies seien bei den Angriffen auf die Stadt Dschabalija und die gleichnamige Flüchtlingssiedlung mindestens 110 weitere Menschen verletzt worden.
(A.Berg--BBZ)