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Bei Angriffen auf die Ukraine am Donnerstag soll Russland laut Angaben aus Kiew erstmals seit Beginn seines Angriffskriegs eine Interkontinentalrakete eingesetzt haben. Eine solche Rakete sei am Morgen auf die Stadt Dnipro abgefeuert worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Moskau wollte diese ukrainischen Vorwürfe nicht kommentieren. Sollte sich der Einsatz der Interkontinentalrakete bestätigen, wäre dies eine deutliche Eskalation des Konflikts.
Die ukrainische Luftwaffe erklärte, die Interkontinentalrakete sei aus der südrussischen Region Astrachan gestartet. Die Rakete sei nicht mit einem Atomsprengkopf bestückt gewesen, verlautete aus Luftwaffenkreisen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Interkontinentalraketen können sowohl mit konventionellen als auch nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und Ziele in tausenden Kilometern Entfernung treffen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, es würden Untersuchungen vorgenommen. Alle Merkmale würden jedoch denen einer Interkontinentalrakete entsprechen. Er bezeichnete Russland als "verrückten Nachbarn", der die Ukraine als militärisches "Testgelände" nutze.
Es sei der erste russische Einsatz einer Interkontinentalrakete seit Beginn des russischen Angriffskriegs, verlautete aus Kreisen der ukrainischen Luftwaffe.
Die russische Regierung wollte sich dazu nicht äußern. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow antwortete auf die Frage, ob Moskau eine Interkontinentalrakete abgefeuert habe, er habe "nichts zu diesem Thema zu sagen". Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erhielt inmitten einer live übertragenen Pressekonferenz die Anweisung, die ukrainischen Vorwürfe nicht zu kommentieren.
Während des Briefings bekam sie einen Anruf, in dem sie deutlich hörbar aufgefordert wurde, "keinen Kommentar" zu dem Angriff "ballistischer Raketen" abzugeben. Zu dem Angriff auf "Juschmasch", über den der Westen zu sprechen begonnen habe, "geben wir keinen Kommentar" ab, sagte eine unbekannte männliche Stimme.
Juschmasch ist der russische Name eines Luft- und Raumfahrtunternehmens in Dnipro, das zu Sowjetzeiten Raketen herstellte und Berichten zufolge nun Satelliten produziert.
Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, sollte sich der Angriff mit einer Interkontinentalrakete bestätigen, würde dies "eine weitere klare Eskalation seitens (Russlands Präsident Wladimir) Putin darstellen". Ein britischer Regierungssprecher sagte, sollte eine solche Rakete abgefeuert worden sein, wäre dies "leichtsinnig und eskalierend".
Kreml-Sprecher Peskow betonte am Donnerstag auch, Russland werde "größte Anstrengungen" unternehmen, um einen nuklearen Konflikt zu vermeiden. Er hoffe, dass "andere Länder" die gleiche "verantwortungsvolle Haltung" hätten.
Kurz zuvor hatte das Verteidigungsministerium in Moskau mitgeteilt, die russische Luftabwehr habe zwei britische Storm-Shadow-Marschflugkörper abgeschossen. Angaben zur Zeit und zum Ort machte das Ministerium nicht. Damit wurde bestätigt, dass die Ukraine diese Waffen erstmals gegen russisches Territorium eingesetzt hat.
Am Vortag hatte die "Financial Times" berichtet, mehrere dieser Marschflugkörper seien gegen mindestens ein russisches Militärziel abgefeuert worden. Zwölf dieser Raketen seien auf die russische Grenzregion Kursk abgefeuert worden, meldete die Zeitung unter Berufung auf russische Sender.
Der "Guardian" berichtete, Großbritannien habe der Ukraine erlaubt, die gelieferten Storm-Shadow-Raketen in Russland einzusetzen - als Reaktion auf die Stationierung nordkoreanischer Truppen in der Region Kursk.
Mehrere westliche Länder, darunter Großbritannien, die USA und Frankreich, haben der Ukraine Raketen und Lenkwaffen mit größerer Reichweite geliefert. Washington hatte Kiew am vergangenen Wochenende die Genehmigung erteilt, diese Waffen gegen Ziele in Russland einzusetzen.
Russischen Angaben zufolge kamen diese Raketen des Typs ATACMS Anfang der Woche erstmals in der russischen Grenzregion Brjansk zum Einsatz. Russlands Außenminister Sergej Lawrow drohte daraufhin mit einer "entsprechenden" Antwort.
Am Dienstag unterzeichnete Russlands Präsident Putin einen Erlass, der es seinem Land erlaubt, Atomwaffen gegen einen Nicht-Atomstaat einzusetzen, falls dieser von Atommächten unterstützt wird. Die neue Doktrin erlaubt auch eine atomare Antwort auf "massive" Luftangriffe, selbst wenn bei diesen nur herkömmliche Waffen eingesetzt werden. Diese Änderungen waren erstmals im September vorgestellt worden.
(O.Joost--BBZ)