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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Europaparlament um Unterstützung für ihr neues Team geworben. Sie versprach den Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg, die neue Kommission werde "mit allen demokratischen, pro-europäischen Kräften" des Parlaments zusammenarbeiten. In ihrer zweiten Amtszeit wolle sie die europäische Wirtschaft ankurbeln und mehr Geld für Verteidigung aufbringen. Bei der Abstimmung über die neuen Kommissionsmitglieder am Mittag wurde mit der nötigen einfachen Mehrheit gerechnet. Die Kommission könnte dann am 1. Dezember an die Arbeit gehen.
Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sprach sich von der Leyen für höhere Verteidigungsausgaben aus. Russland gebe bis zu neun Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus, die EU hingegen nur 1,9 Prozent, erklärte sie in Straßburg. "An dieser Gleichung ist etwas falsch, unsere Verteidigungsausgaben müssen steigen", sagte die Kommissionschefin, die bereits im Juli für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt worden war.
Die Sicherheit der EU hänge aber auch daran, die schwächelnde Wirtschaft wieder anzukurbeln, sagte von der Leyen. "Unsere Freiheit und Unabhängigkeit hängen mehr denn je an unserer wirtschaftlichen Stärke", betonte sie mit Blick auf die Konkurrenz aus den USA und China.
Die Krise in der europäischen Autoindustrie macht von der Leyen zur Chefsache: Sie selbst will einen sogenannten strategischen Dialog mit Autobauern und Zulieferern führen. "Europas Autoindustrie ist Europas Stolz, Millionen von Jobs hängen daran", sagte sie in Straßburg. "Wir müssen sicherstellen, dass die Autos der Zukunft weiter in Europa produziert werden."
Die Kommission werde zudem Gesetze vorlegen, die digitalen Startups einen besseren Zugang zu Investitionen verschaffen sollen. Von der Leyens Stellvertreter Stéphane Séjourné aus Frankreich und Teresa Ribera aus Spanien sollen zudem ein Gesetzespaket ausarbeiten, um die Industrie in Europa klimafreundlicher zu machen und beispielsweise auf Wasserstoff umzustellen. Die Kommission soll zudem das Recyceln von wichtigen Rohstoffen fördern.
Von der Leyen verteidigte die Nominierung des italienischen Rechtsaußen-Politikers Raffaele Fitto als einen ihrer Stellvertreter. Er soll milliardenschwere Regionalfördergelder der EU verwalten. "Das ist eine Entscheidung, die ich getroffen habe", sagte von der Leyen in Straßburg. Das Mitte-Links-Lager übt scharfe Kritik an der Personalie, weil Fitto der postfaschistischen Partei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni angehört.
"Sie können Europa nicht mit denen aufbauen, die es zerstören wollen", sagte die Fraktionsvorsitzende der europäischen Sozialdemokraten, Iratxe García. Ihre Fraktion unterstütze die neue Kommission mehrheitlich, weil sie Europa voranbringen wolle, betonte García. "Wir geben Ihnen aber keinen Blankoscheck", warnte sie von der Leyen. Die SPD-Abgeordneten wollten sich bei der Abstimmung enthalten.
Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) um CDU und CSU, Manfred Weber, forderte "vom ersten Tag an Taten" von der neuen EU-Kommission. Eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der AfD schloss er aus. Die AfD, die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und Ungarns Regierungschef Viktor Orban seien "politische Feinde" der EVP, betonte Weber.
Im Streit um die Kommissionsposten habe das Parlament "Kandidaten der extremen Rechten" durchgewunken, "leider auch mit Stimmen der Konservativen, der SozialdemokratInnen und der Liberalen", sagte die Co-Fraktionschefin der europäischen Grünen, Terry Reintke. Eine knappe Mehrheit ihrer Fraktion werde dennoch für die Kommission stimmen, weil von der Leyen Zusagen in der Klimapolitik und zur Rechtsstaatlichkeit gemacht habe.
Abgeordnete aus dem Rechtsaußenlager griffen die Kommissionspräsidentin und ihr neues Team scharf an. Die AfD-Abgeordnete Christine Anderson schmähte von der Leyen als "Abrissbirne" und ihre neue Kommission als "die reinste Trümmertruppe". Andere warfen ihr im Ukraine-Krieg "Kriegstreiberei" vor.
Die Abgeordneten im Europaparlament wollten am Mittag über die 26 neuen EU-Kommissarinnen und Kommissare abstimmen. Eine Mehrheit gilt trotz einige Abweichler als gesichert, weil sich die EVP um CDU und CSU, Sozialdemokraten und Liberale vorab bereits geeinigt hatten.
(G.Gruner--BBZ)