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Anderthalb Wochen nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad wird weiter um die künftige Ausrichtung des Landes gerungen. In Damaskus demonstrierten am Donnerstag hunderte Menschen für Demokratie und Frauenrechte. In den Kurdengebieten im Nordosten des Landes fanden indes Proteste gegen pro-türkische Kräfte statt. UN-Generalsekretär António Guterres mahnte, die "Flamme der Hoffnung" in Syrien dürfe nicht verlöschen.
"Wir wollen eine Demokratie, kein religiöses System", riefen die Frauen und Männer auf dem zentralen Umayyaden-Platz in Damaskus, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Einige der Demonstranten in der syrischen Hauptstadt hielten Schilder mit der Aufschrift "Keine freie Nation ohne freie Frauen" in die Höhe.
Sowohl Männer als auch Frauen müssten eine Rolle beim Aufbau des neuen Syriens spielen, sagte die 50-jährige Demonstrantin Madschida Mudarres der AFP. Die Zeit des Schweigens sei nun vorbei, betonte sie mit Blick auf die mehr als 50-jährige Herrschaft der Assad-Familie.
Wohin Syrien in Zukunft steuert, ist derzeit noch ungewiss. Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Assad-Herrschaft beendet. Der gestürzte Präsident floh nach Russland, bis zum 1. März soll das Land von einer Übergangsregierung geführt werden.
Zwar präsentieren sich die neuen Machthaber moderat und stellten den Schutz der Rechte von Minderheiten in Aussicht - ihre islamistische Ausrichtung sorgt aber bei vielen für Beunruhigung. Ursprünglich ist die HTS aus der Al-Nusra-Front hervorgegangen, dem syrischen Ableger von Al-Kaida. Nach eigenen Angaben unterhält sie aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu dem Terrornetzwerk. Einige westliche Staaten stufen die Miliz jedoch weiter als Terrororganisation ein.
US-Außenminister Antony Blinken rief die HTS auf, ihre Zusagen einzuhalten und Lehren aus der Isolation der afghanischen Taliban zu ziehen. Als diese 2021 die Kontrolle in Afghanistan übernommen hätten, hätten sie "ein gemäßigteres Gesicht gezeigt, oder es zumindest versucht", sagte er in New York. Dann aber hätten sie ihr wahres Gesicht gezeigt, was sie international isoliert habe.
Die Taliban hatten nach ihrer Machtübernahme eine strenge Auslegung islamischen Rechts eingeführt und unter anderem Frauenrechte massiv eingeschränkt.
Blinken forderte von der HTS eine "nicht an Konfessionen gebundene" syrische Regierung, die Minderheiten schütze und auf Sicherheitsbedenken eingehe.
Vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zeigte sich UN-Generalsekretär António Guterres mit Blick auf Syrien hoffnungsvoll. "Der Nahe Osten wird von vielen Feuern aufgezehrt, aber heute gibt es eine Flamme der Hoffnung in Syrien, und diese Flamme darf nicht gelöscht werden", sagte er in New York. Die "Chance", die sich für das syrische Volk nun biete, dürfe "nicht verpasst werden".
Weiter verurteilte Guterres die israelischen Angriffe auf militärische Infrastruktur in Syrien und stellte eine Lockerung der bestehenden internationalen Sanktionen gegen das Land in Aussicht.
Unterdessen bleibt die Lage in den von Kurden kontrollierten Gebieten im Norden Syriens angespannt. Das türkische Verteidigungsministerium erklärte, seine Truppen so lange an der türkisch-syrischen Grenze zu lassen, bis die kurdischen Kämpfer "die Waffen niederlegen". Die Bedrohung an der Grenze bestehe weiterhin, erklärte ein Ministeriumssprecher.
In den von Kurden gehaltenen Gebieten im Norden Syriens gibt es regelmäßig Zusammenstöße zwischen von der Türkei unterstützten Gruppen und den von den USA unterstützen Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Ankara erachtet die zu den SDF gehörende Kurdenmiliz YPG als verlängerten Arm der in der Türkei als terroristisch eingestuften und verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
In der Stadt Kamischli demonstrierten am Donnerstag tausende Menschen zur Unterstützung der SDF. Nach Angaben eines AFP-Reporters hissten sie erstmals die syrische Unabhängigkeitsflagge mit den drei Sternen, die ein Symbol für den 2011 gestarteten Aufstand gegen Assad ist. Zudem riefen die Demonstranten "Lang lebe der SDF-Widerstand" und "Nein zum Krieg in unserer Region, nein zum Angriff der Türkei".
Seit 2016 hat die Türkei, die eigenen Angaben zufolge über tausende Soldaten im Norden Syriens verfügt, mehrere größere Einsätze gegen die SDF vorgenommen. Derzeit besteht die Befürchtung eines Angriffs pro-türkischer Gruppen auf die von kurdischen Kräften gehaltene syrische Stadt Kobane an der türkischen Grenze.
Ein Militärchef der HTS-Miliz erklärte in dieser Woche, dass die von Kurden gehaltenen Gebiete in Syrien unter der neuen Führung des Landes integriert werden sollen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äußerte in Kairo bei einem Treffen der Gruppe der acht Entwicklungsländer (D-8), einer Organisation mehrheitlich muslimischer Staaten, die Hoffnung auf "den Aufbau eines vom Terrorismus befreiten Syrien", in dem "alle religiösen und ethnischen Gruppen friedlich Seite an Seite leben". Ähnlich äußerte sich der iranische Präsident Massud Peseschkian, dessen Land zu den wichtigsten Verbündeten von Assad zählte.
(P.Werner--BBZ)