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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Aufarbeitung des Umgangs seiner Vorgänger mit der NS-Zeit als bedeutsam für die Gegenwart bezeichnet. "Demokratie ist kein Zustand", sie müsse gegenüber denjenigen verteidigt werden, die sie "bedrohen oder sogar verachten", sagte er am Mittwoch in Berlin. "Gerade in dieser Zeit, in der unsere Demokratie so sehr angefochten ist, müssen wir uns als Gesellschaft unserer Geschichte bewusst sein."
Steinmeier äußerte sich im Schloss Bellevue anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse des Forschungsprojekts "Das Bundespräsidialamt und der Nationalsozialismus 1949–1994", das im Mai 2020 gestartet worden war. Die Untersuchung führte der Historiker Norbert Frei von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Frei und sein Team untersuchten die Biographien und Amtszeiten der sechs Bundespräsidenten zwischen 1949 und 1994. Am Donnerstag erscheint das dazugehörige Buch.
Viele Ministerien und Behörden hätten in den vergangenen Jahren ihren Umgang mit der NS-Zeit in der jungen Bundesrepublik wissenschaftlich untersuchen lassen, sagte Steinmeier. "Für mich war klar, dass gerade das Amt des Staatsoberhauptes sich hier nicht der Aufgabe entziehen darf." Es sei darum gegangen, wie die ersten Bundespräsidenten auf die NS-Zeit und ihre eigene Biographie blickten, wie sie sich zu Tätern äußerten oder sich bei Staatsbesuchen verhielten.
Freis Projekt sei nun eine "Arbeit, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt und gerade deswegen so bedeutsam für unsere Gegenwart ist". Der Historiker Frei sei mit seinem Team "in die Archive gestiegen", habe Akten, Briefwechsel, Redeentwürfe, Vermerke und Vorlagen durchforstet. Dafür sei er ihm "sehr dankbar", sagte der Bundespräsident.
Frei skizzierte anschließend das Wirken der sechs ersten Präsidenten der alten Bundesrepublik - Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carstens und Richard von Weizsäcker. Schon zu Beginn der Bundesrepublik sei das Amt von einem "definierten Aktionsraum" und "Erwartungen von außen" geprägt gewesen, sagte der Forscher.
Gleichwohl sei etwa der "liberale Selbstdenker Heuss erkennbar" geblieben. Der erste Bundespräsident habe den Begriff "Kollektivscham" geprägt und bei der Eröffnung der KZ-Gedenkstätte in Bergen-Belsen gesagt: "Wir haben von den Dingen gewusst." Damit sei er der "schweigenden Mehrheit seiner Landsleute" vorausgeeilt.
Am wenigsten Nachsicht mit "den sogenannten Ehemaligen" habe Lübke gehabt, fuhr Frei fort, er habe sich selbst als Opfer der Nazis begriffen. Heinemann wiederum habe seine Mitbürger je nach Anlass mit "Vokabeln einer etablierten Schonsprache" bedient. Die Präsidentschaft von Scheel und Carstens sei auch davon beeinflusst gewesen, dass sie selbst NSDAP-Mitglieder gewesen seien. Von Weizsäcker schließlich bescheinigte der Historiker ein "elaboriertes Opfergedenken".
Sein Buch sei nun Teil jenes "unabgeschlossenen und unabschließbaren Prozesses" der Aufarbeitung, sagte Frei abschließend. Auch Steinmeier sagte im Schloss Bellevue, für den Bundespräsidenten sei es "eine besondere Verpflichtung", sich weiterhin der Geschichte seines Amtes zu stellen.
(H.Schneide--BBZ)