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Trotz weitgehender Fangverbote dürfen deutsche Küstenfischer an der Ostsee im kommenden Jahr weiter geringe Mengen an Hering fischen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) setzte in den EU-Verhandlungen um die erlaubten Fischfang-Mengen für 2025 am Dienstag in Luxemburg eine entsprechende Ausnahme für kleine Fischereibetriebe durch. Die Fischbestände sind in der westlichen Ostsee seit Jahren bedroht, die EU schränkt die Fischerei deshalb stark ein.
"In den Verhandlungen haben wir hart um die Zukunft unserer krisengeschüttelten Küstenfischer gekämpft und erreicht, dass ihre wirtschaftliche Grundlage erhalten bleibt", erklärte Özdemir am Dienstag. Er betonte, die Ausnahme für die Küstenfischer habe "keine negativen Auswirkungen für die Bestandserholung" der Heringe in der Ostsee. Auch eine Ausnahme für Hobby-Angler bleibt bestehen: Sie dürfen weiterhin einen herangezogenen und in der Ostsee ausgesetzten Lachs pro Tag aus dem Meer ziehen.
Insbesondere für Dorsch und Hering gelten in der für deutsche Fischer relevanten westlichen Ostsee seit mehreren Jahren weitgehende Fangverbote. Außerdem gelten Obergrenzen für den sogenannten Beifang, also Fische, die unerwünscht ins Netz gehen und dabei häufig verenden. Im kommenden Jahr soll diese Obergrenze dem Kompromiss vom Dienstag zufolge für Hering unverändert bleiben und für Dorsch um mehr als ein Fünftel sinken.
Für deutsche Fischer gilt nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums demnach eine Beifang-Obergrenze von 435 Tonnen pro Jahr für Hering. Für Dorsch in der westlichen Ostsee sinkt die Menge auf 57 Tonnen pro Jahr, im östlichen Teil des Meeres sind für deutsche Kutter noch insgesamt 39 Tonnen Dorsch-Beifang erlaubt. Häufig geraten Dorsche ins Netz von Schollenfischern, die erlaubte Fangmenge für die Plattfische von 900 Tonnen im Jahr wird jedoch beibehalten.
Für die verschiedenen Bereiche des Meeres gelten unterschiedliche Fangquoten. Im Gegensatz zu den westlichen Gebieten soll etwa in der zentralen Ostsee und in der Rigaer Bucht wieder deutlich mehr Hering gefangen werden dürfen. Die erlaubten Fangmengen für Dorsch, Sprotte und Lachs sollen hingegen in allen relevanten Gebieten sinken.
Die EU-Staaten lehnten Vorschläge der EU-Kommission ab, die unter Berufung auf Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) deutliche Einschnitte gefordert hatte. Nach Angaben der Wissenschaftler des ICES steht die Artenvielfalt in der Ostsee durch starke Verschmutzung und langjährige Überfischung seit Jahren unter Druck. Viele Bestände sind bedroht.
"Die Bestände von Dorsch und Westhering sind seit Jahren so klein, dass es keine gezielte Fischerei mehr gibt", erklärte auch der Verband der deutschen Kutter- und Küstenfischer. Der Verband begrüßte aber die Ausnahme für kleine Fischereibetriebe, die weiter regionale Märkte beliefern könnten. Schuld an den schrumpfenden Fischbeständen sind nach Einschätzung der Fischer vor allem Kormorane: Die Küstenvögel könnten "ganze Dorsch-Nachwuchsjahrgänge wegfressen".
Der Umweltverband Nabu kritisierte, Robben und Kormorane müssten "als Sündenböcke der sinkenden Population hinhalten". Die Einschätzung der Fischer entbehre "jeglicher Faktenlage", erklärte die Nabu-Fischereiexpertin Katharina Brundiers. Stattdessen forderte sie für die Erholung der Fische größere Meeresschutzgebiete und neue Fangmethoden, die den Beifang verringern.
"Damit die Ostseefischerei eine Zukunft hat, muss die Fischereipolitik am Ökosystem ausgerichtet werden, anstatt auf maximale Fänge einzelner Arten", forderte auch der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Mit ihrem Beschluss vom Dienstag setzten die Ostseeländer "genau die Art Fischerei fort, die für den Kollaps der deutschen Ostsee-Populationen verantwortlich ist", erklärte er mit Blick auf die Dorsch- und Heringbestände.
Auch Özdemir hatte am Rande der Verhandlungen eingeräumt, die EU habe es in der Ostsee mit "dramatischen Problemen" zu tun. Er warf insbesondere russischen Fischern vor, die Fischbestände zu gefährden. Nach Einschätzung seines lettischen Amtskollegen Armands Krauze führen EU-Fangverbote auch deshalb nicht zu einer Erholung. "Indem wir unsere Quoten für Dorsch in der Ostsee senken, helfen wir Russland, noch mehr zu fangen", beklagte er in Luxemburg.
(A.Lehmann--BBZ)