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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat angesichts der Sparzwänge in den staatlichen Haushalten vor einer Vernachlässigung des Sozialbereichs gewarnt. "Wenn ganze Bevölkerungsgruppen sich ausgegrenzt oder abgehängt fühlen, wenn Menschen unversorgt bleiben, wenn ältere Menschen ohne Pflege, jüngere Menschen mit Beeinträchtigung ohne Betreuung sind, dann wenden sie sich auch vom Staat und der Demokratie ab", sagte Steinmeier am Dienstag beim Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin.
Diese Einsicht sei "nicht neu, aber es ist wichtig, an sie zu erinnern in Zeiten, in denen die Verteilungskämpfe um staatliche Budgets härter werden", sagte der Bundespräsident laut vorab verbreitetem Redetext. "Bestmögliche Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen ist eine Selbstverpflichtung der sozialstaatlichen Demokratie."
Steinmeier dankte den vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfern, die sich in der Wohlfahrtspflege engagierten. "Ich finde, all diese helfenden Hände bekommen in unserer Gesellschaft immer noch zu wenig Aufmerksamkeit, zu wenig Anerkennung, zu wenig Wertschätzung", sagte er. "Und vor allen Dingen bekommen sie immer noch zu wenig Unterstützung."
Steinmeier bekräftigte in der Ansprache seine Unterstützung für eine Pflichtzeit für junge Menschen. "Ich glaube, dass eine soziale Pflichtzeit ein guter Weg ist, um unser Miteinander zu verbessern", sagte er. Es gehe hier auch um die Frage, "wie es in unserer vielfältiger werdenden Gesellschaft gelingen kann, den Gemeinsinn und das Miteinander zu fördern", fügte er hinzu.
"Denn wir erleben ja, dass viele Menschen sich in ihre soziale Blase oder ihre digitale Parallelwelt zurückziehen; wir erleben, dass unterschiedliche Weltsichten in der Öffentlichkeit oft hart und unversöhnlich aufeinanderprallen", sagte das Staatsoberhaupt.
Der Festakt erinnerte an die Gründung der "Deutsche Liga der freien Wohlfahrtspflege" im Dezember 1924. Dies sei "die Geburtsstunde eines neuartigen Sozialstaats" gewesen, sagte Steinmeier - "eines Sozialstaats, der später zum Modell für die Bundesrepublik wurde und bis heute weltweit einzigartig ist".
Steinmeier hob hervor, dass derzeit knapp zwei Millionen hauptamtliche und rund drei Millionen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den sozialen Einrichtungen der sechs Spitzenverbände beschäftigt seien - der Caritas, der Diakonie, der Zentralwohlfahrtstelle der Juden, dem Paritätischen, dem Roten Kreuz und der Arbeiterwohlfahrt.
Als "gut und wichtig" bezeichnete es Steinmeier, dass die Wohlfahrtsverbände auch mit islamischen Vereinen und Verbänden im Gespräch seien und vor Ort in einzelnen Projekten zusammenarbeiten: "Ich bin überzeugt: Es stärkt den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, wenn die muslimische Wohlfahrtspflege mit einbezogen wird."
Vor seiner Rede hatte Steinmeier in dem von der Caritas betriebenen Café Streetwork in Berlin, einem Treffpunkt für Menschen mit Suchtproblemen, mit Gästen und Mitarbeitenden gesprochen. "Hilfe von Menschen für Menschen - dafür steht das Café Streetwork, und dafür stehen die vielen Angebote der Freien Wohlfahrtspflege überall in unserem Land", sagte er.
(O.Joost--BBZ)