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Die Frage des richtigen Vorgehens bei der Entlastung der Verbraucher angesichts hoher Energiepreise sorgt für Unruhe in der Koalition. SPD-Chefin Saskia Esken bringt Tempolimits, Fahrverbote und Preisdeckel gegen die hohen Spritkosten ins Spiel, die FDP hält dagegen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht aktuell ohnehin kaum noch Spielräume: "Im Bundeshaushalt 2022 gibt es keine Reserven."
Esken griff im "Tagesspiegel" vom Samstag die Mineralölwirtschaft scharf an. Den Konzernen wird vorgeworfen, die Preise für Benzin und Diesel künstlich hoch zu halten, obwohl seit 1. Juni der sogenannte Tankrabatt gilt, eine befristete Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe.
Dass die Firmen die Steuersenkung nicht vollständig an die Verbraucher weitergeben würden, "das stinkt zum Himmel", sagte Esken. Sie forderte ein Einschreiten des Kartellamts. Wenn die Spritpreise so hoch blieben, seien aber auch schärfere Maßnahmen nicht ausgeschlossen, betonte sie.
Die SPD-Chefin verwies hier auf das Energiesicherungsgesetz aus dem Jahr 1975, das damals als Reaktion auf die Ölkrise beschlossen und von der Ampel-Koalition im Mai novelliert wurde. "Es erlaubt der Regierung, befristete Maßnahmen anzuordnen wie Sonntagsfahrverbote - die Älteren erinnern sich - oder ein befristetes Tempolimit", sagte Esken. "Aber auch Preisdeckel oder - im äußersten Fall, Unternehmen in kritischen Infrastrukturen der Energieversorgung zeitlich befristet unter Treuhandverwaltung zu stellen."
Von der FDP kam umgehend eines Absage. "Ich glaube nicht, dass wir jetzt Symbolmaßnahmen wie ein befristetes Tempolimit oder Fahrverbote diskutieren sollten", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Richtig hingegen ist, dass Bundeswirtschaftsminister und Kartellamt den Mineralölkonzernen jetzt ganz genau auf die Finger schauen müssen, damit der Tankrabatt auch tatsächlich bei den Menschen ankommt."
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, die Mineralölkonzerne "zum Spritgipfel" zu laden und die Preise ab sofort streng zu kontrollieren. "Statt Eskens Vorschlag eines Fahrverbots, das die Bürger trifft, brauchen wir zeitweise staatliche Höchstpreise an den Zapfsäulen - mindestens für die Zeit der Steuersenkung", sagte Bartsch dem RND.
Bundesfinanzminister Lindner lehnte es ab, noch vor der Sommerpause weitere finanzielle Entlastungen festzuzurren. Es gebe "finanziell und rechtlich wenig Spielraum dafür, wenn wir nicht woanders sparen", sagte er dem Portal "t-online.de". "An den Freien Demokraten scheitert eine Entlastung nie", betonte Lindner. Aber der Bund sei seiner finanziellen Grenze angekommen: "Im Bundeshaushalt 2022 gibt es keine Reserven."
Er rate dazu, die bisherigen Maßnahmen erst einmal "wirken zu lassen", sagte Lindner. "Für das kommende Jahr dann empfehle ich neue Maßnahmen." Er verwies hier auf seinen schon früher gemachten Vorschlag, die sogenannte kalte Progression in der Einkommensteuer abzumildern.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich überzeugt, dass viele der beschlossenen Entlastungen "in diesem Sommer bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen". Klar sei aber auch, "dass wir neue Antworten finden müssen, wenn die Preise dauerhaft hoch bleiben", sagte er der "Welt am Sonntag". Gleichwohl solle nicht so getan werden, "als könne der Staat alles für alle ausgleichen".
Die unter anderem von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sieht Heil skeptisch. Die Idee sei sympathisch - "aber ich bin mir nicht sicher, ob solche Maßnahmen zielgenau bei den Verbrauchern ankommen".
(T.Burkhard--BBZ)