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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Europäischen Union müssen sich im laufenden Jahr auf einen hohen Reallohnverlust gefasst machen. EU-weit könnten die Reallöhne 2022 um bis zu 2,9 Prozent sinken, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung am Dienstag mitteilte. Auch in Deutschland drohe ein Reallohnverlust von 2,9 Prozent. Die WSI-Experten plädierten für hohe Lohnforderungen in bestimmten Branchen.
Die Bruttolöhne in Deutschland stiegen den Berechnungen zufolge im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent an und lagen somit deutlich unter der allgemeinen Preissteigerung. Diese Entwicklung werde sich im laufenden Jahr voraussichtlich fortsetzen, erklärte das WSI. Auch in der EU insgesamt werde das nominale Lohnwachstum mit 3,7 Prozent im Vergleich zur Inflation "moderat" bleiben.
Angesichts hoher Gewinne in vielen Unternehmen warnten die WSI-Experten vor "einer Umverteilung zulasten der Beschäftigten". Dies führe zu einer sinkenden Lohnquote und einem höheren Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen. Hohe Lohnforderungen seien angesichts guter Unternehmensergebnisse in bestimmten Branchen durchaus gerechtfertigt, erklärten die Experten. Rechnerisch ergebe sich für die gesamte Wirtschaft in der EU und in Deutschland ein Potenzial für Lohnsteigerungen von etwa sechs Prozent.
Zwar seien aufgrund der aktuellen Lage Prognosen mit hoher Unsicherheit behaftet. Dies dürfe aber nicht zu "holzschnittartig vereinfachten Schlussfolgerungen" führen. "Einseitige Forderungen an die Gewerkschaften, im übergeordneten Interesse auf Lohnsteigerungen zu verzichten, greifen zu kurz und verkennen die Ursachen der momentanen Preisdynamik", erklärte das WSI. Angebracht sei stattdessen ein Appell an Unternehmen, "ihrerseits 'Gewinnzurückhaltung' zu üben".
Die Inflation ist seit Monaten hoch, im Juli lag sie hierzulande nach vorläufigen Zahlen des Statistikamts bei 7,5 Prozent. Besonders stark stiegen die Preise für Energie- und Lebensmittel. In laufenden Tarifrunden argumentieren die Gewerkschaften auch mit den hohen Preissteigerungen.
(A.Lehmann--BBZ)